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From old to new (Gästinnenbeitrag)

Wie Designerin Lea mit ihrem Label saschee Kleidung ein zweites Leben schenkt.


Irgendwann vor ein paar Monaten habe ich mir ein Herz gefasst und den obligatorischen simply space-Kleiderhaufen gemacht: Ich habe alle Klamotten auf einem Haufen gesammelt, um mal einen Überblick darüber zu bekommen, was ich eigentlich alles besitze. Ja, was soll ich sagen. Ich war wirklich erschrocken, wie viel da zusammenkommt. Hört sich vielleicht naiv an, aber dann mal alles auf einem Haufen gesehen zu haben…well… - Fashion macht mir Spaß, Klamotten machen mir Spaß. Ich liebe es, neue Farben und Schnitte auszuprobieren und zu kombinieren. Schon als Kind war das so. Ich kann mich an Tage erinnern, an denen ich mich 3x umgezogen habe. Aber ganz ehrlich, wie soll man das alles genießen, wenn man weiß, wie die ganze Industrie abläuft?




So, let’s talk a few numbers:

Weltweit werden jährlich mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Man geht davon aus, dass sich diese Zahl in den nächsten 10 Jahren nochmal verdoppelt. Allein in Deutschland hat jeder Mensch im Durchschnitt 95 Kleidungsstücke im Kleiderschrank; Unterwäsche und Socken nicht mitgerechnet. Die Klamotten werden allerdings halb so lang getragen wie noch vor 20 Jahren. Klar, zum einen leidet natürlich die Qualität unter der billigen Ressourcenbeschaffung und Produktion. Zum Anderen hat sich aber unser Konsumverhalten, der Zeitgeist und damit eben auch die Wertschätzung für die meisten Dinge grundlegend geändert. Fünf Kilo Kleidung werden hier im Schnitt jedes Jahr pro Person weggeschmissen. (“…google, wie viel wiegt ein T-Shirt?...”). Das sind etwa 33 T-Shirts oder ca. 7 Jeans oder ungefähr 16 Hemden. Pro Person, jedes Jahr!


Selbst wenn man die Klamotten zum Recyclen gibt, wird leider der Großteil schlicht und ergreifend entsorgt bzw. verbrannt. Da helfen auch die ganzen “Conscious-Collections” und “Recycle-Aktionen” großer Brands nicht. Was wir dann beim Shoppen zusätzlich oft noch vergessen, sind Ressourcen, Menschen(-rechte), Umwelt sowie die Arbeit, Zeit und die (meist patriarchalen) Strukturen, die hinter dem Produzieren unserer Kleidung stecken. Die tieferen Umstände der Produktion lasse ich jetzt an dieser Stelle mal unkommentiert. - I think we all know the facts.


Und das Ding ist: Es gibt ja einen anderen Weg! - Nämlich Fashion zu genießen, ohne immer neu zu kaufen. Ohne zu vergessen, was ja eigentlich alles schon da ist, was schon produziert wurde. Es gibt einfach schon so so so viele Klamotten! Warum nicht also das tragen, was schon produziert worden ist? Trends wiederholen sich sowieso: “Kommt alles wieder”, wie unsere Eltern immer sagen. Aber natürlich nicht 1:1 und das ist eben das Ding. Ein oversized Blazer aus den 80ern ist von der Grundidee natürlich wieder modern. Nur sind heute die Ärmel schmaler, die Schulterpolster nicht ganz so dick und die Saumlänge hat sich auch geändert.


Wie oft war ich früher mit Freund*innen auf Flohmärkten oder in Secondhand-Shops, hab tolle Teile gefunden und war dann aber doch enttäuscht, dass auf den zweiten Blick oder beim Anprobieren irgendwas nicht 100%ig gefiel?! Schultern zu oversized, Stoff und Muster zwar beautiful, dann aber der Schnitt langweilig, Rock zu lang, Hose zu weit, Knöpfe zu kitschig, Kragen zu breit…


Irgendwann fing ich an, die Teile, an denen ich etwas toll fand, trotzdem zu kaufen und so abzuändern, dass sie gepasst haben oder in das zu verwandeln, was ich darin gesehen habe. So Kleidungsstücke neu zu interpretieren, z.B. den Stoff eines Rockes zu nehmen, um eine Bluse zu nähen oder aus einem Kleid einen Zweiteiler zu machen.




Dabei ist es mir an dieser Stelle wichtig, nicht falsch verstanden zu werden: Ich selber kaufe neue Klamotten (hin und wieder auch Fast-Fashion), kaufe mir neuen Stoff, um ein Teil zu nähen oder schmeiße Kleidungsstücke weg. Konsumverhalten hängt so stark von Lebensumständen, Gegebenheiten und schlichtweg Privilegien ab, weswegen ich es äußerst problematisch finde, in diesem Bereich zu werten oder zu verurteilen. Deswegen: Bitte jede Person so wie sie kann oder möchte und es überhaupt möglich ist. Denn natürlich bringen auch kleine Veränderungen einen Change, solange sich jedoch nicht grundsätzlich etwas an Politik und Wirtschaft ändert, können wir als Konsument*innen leider nur begrenzt etwas bewirken.


Seitdem ich Maßschneiderin und Schnitttechnikerin bin und somit ein professionelles Verständnis für Konstruktion, Materialien und Passform habe, eröffnen sich mir dahingehend auch nochmal ganz neue Perspektiven. Die Vorhänge meiner Eltern aus den 80ern für ein Kleid verwenden, aus secondhand-Bettwäsche, Tischdecken oder Handtüchern wirklich etwas komplett Neues kreieren – Kleidungsstücke abändern, anpassen, dass sie meinem Verständnis von Fashion oder dem der Träger*innen entsprechen.




Lea bietet mit ihrem Mode-Label saschee, neben Eigenkreationen in verschiedenen Styles, auch reworked Vintagekleidung mit inklusivem Sizing an. Sie liebt es, so anderen Menschen und ihr selbst eine Freude zu machen.


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